Sturmflut - ein Kurzkrimi von Sabine Marya Nachdenklich starrte er auf das tosende Meer hinaus. Alles schien heute perfekt zu sein. Das Zunehmen der Windstärke, die Tiedenzeit, die Abgeschiedenheit der Warft, die vorzeitige Abreise der Feriengäste.Ein letztes Mal zog Hinneck an der Zigarette, bevor er sie in das Wasser warf, das bereits auf die Straße züngelte. Leise zischend erlosch die Glut. Mit einem Gefühl der Euphorie stapfte Hinneck zurück zu dem Haus, während der Wind ihm um die Ohren pfiff und an seiner Wathose zerrte. Es wurde Zeit, die Kühe einzusperren und den Trecker hoch zu fahren... Als er schließlich die Küche der alte Bauernkate betrat, zuckte Stine, seine Schwester, erschrocken zusammen. „Was machst du da?“ fuhr er sie an. „Der Arzt hat doch gesagt, dass du Ruhe brauchst!“ „Das Wasser steigt.“ flüsterte Stine. „Ich bringe die Sachen hoch...“ Ihre Hände zitterten leicht, als sie den Bruder furchtsam ansah. Bereit, sich weg zu ducken, bevor der erste Schlag auf ihrem Rücken landete. Und ihre hässliche Narbe auf der Stirn leuchtete rot, wie immer, wenn sie Angst hatte. Aber Hinneck hatte jetzt keine Lust, sie zu schlagen. Mit einem Ächzen ließ er sich auf seinen Stuhl fallen und griff nach der Schnapsflasche. Einen. Zum Aufwärmen... Unwillig betrachtete er die schmächtige Gestalt seiner Schwester, die irgend welche unwichtigen Dinge in eine Kiste legte, wie jedes Mal, wenn das Wasser kam. Nun, heute würde es das letzte Mal sein... Jeder hier auf der Hallig wusste, dass Stine einen leichten Stich hatte. Und so würde es niemanden wundern, wenn er morgen erzählte, dass sie noch mal heraus gerannt war, um nach ihrer Katze zu suchen. Morgen... Und Stine würde mit einem Loch im Schädel irgendwo am Sielzug angespült werden. Zufrieden lächelnd schüttete Hinneck sich noch einen Schnaps ein. |
|
|
[Sturmflut] |